Alle Gebäude waren vom Verfall bedroht, als Karl-Heinz Kolz Anfang der 1990er Jahre den Hof seiner Vorfahren von der Treuhandanstalt wieder übernahm. Das Anwesen an der Müritz mit großem Bauernhaus, umfangreichen Stallungen und zwei Scheunen sollte mit den verfügbaren Mitteln auf Vordermann gebracht werden.
Das Rohrdach des alten Schafstalls sah schon heftig mitgenommen aus. An den steilen Giebeln und der Hälfte der Hauptdachfläche war die Reetdeckung noch in einem akzeptablen Zustand. Im zentralen Bereich der Dachfläche waren aber schon lange die Befestigungsdrähte sichtbar und an einigen Stellen leckte es durch. Es bestand dringender Handlungsbedarf, um hier der Zerstörung des Dachstuhls entgegenzuwirken.
Nun fehlte für den Schafstall eine zwingende Verwendung. Die Kosten für eine komplette Sanierung des Daches waren mit der Nutzung abzuwiegen. Zudem würden zwei Drittel des Reetdaches noch weitere 15 Jahre durchstehen. Für knapp 200 qm war die Erneuerung aber angezeigt.
Karl-Heinz Kolz fand 1994 eine sehr unkonventionelle Lösung, die ihm weitere 18 Jahre Zeit verschaffen sollte: Er ließ den schadhaften Bereich des Reetdaches entfernen und kräftige Folienbahnen auf das Dach nageln. Darüber wurden Schilfrohrplatten befestigt, die sich nach kurzer Zeit optisch an die alte Dachfläche anpassten. Diese Improvisation hielt immerhin gut 1 ½ Jahrzehnte.
2013 war es dann so weit. Das gesamte Reetdach, die uralte Reetdeckung und das Schilfplatten-Provisorium waren reif für eine komplette Erneuerung. Kolz interessierte sich für eine konventionelle Neueindeckung mit Reet, suchte aber auch nach einem Lieferanten für Schilfplatten und stieß dabei auf die Firma Hiss Reet in Bad Oldesloe. Als dessen Inhaber Tom Hiss von dem
experimentellen Schilfplatten-Dach hörte, staunte er nicht schlecht. Nach bisherigen Erfahrungen sind Schilfplatten nämlich nicht wasserdicht. Die Dichtigkeit muss beim Schafstall eher durch die Folien, als durch die Schilfplatten erreicht worden sein. Da Hiss sofort eine bessere Lösung durch den Kopf ging, bat er seinen Schilfplatten-Kunden um ein wenig Zeit für interne Versuche.
Es zeigte sich, dass schuppenartig eingedeckte, auf spezielle Art gebundene Schilfplatten ab einer Dachneigung von 30° kein Wasser durchlassen. Diese nun „Hiss Reet Schindeln“ genannten 1 x 2 m großen Dachplatten sind mit Materialkosten von ca. 20 € je qm Reetdach deutlich günstiger, als konventionelle Reetdächer. Hinzu kommt die Verarbeitung, die aufgrund einfacher Nagelung der Platten sehr zügig verläuft (ca. 3-5 qm Dachfläche je Arbeitsstunde).
Dennoch ist es sinnvoll, einen erfahrenen Reetdecker mit der Arbeit zu betrauen, da Hiss Reet Schindeln insbesondere für große, gerade Flächen geeignet sind. Sonderflächen, wie Grate, sollten immer noch konventionell, aber mit speziell ausgesuchtem Dachreet eingedeckt werden.
„Es war gar nicht so leicht, ein Unternehmen zu finden, das diese Arbeiten übernimmt, weil die Erfahrung fehlt und vielleicht auch, weil sich dieses Projekt nur schwer kalkulieren ließ“, erklärt Karl-Heinz Kolz, der sich dann nach langer Suche für die Sanierung seines Schafstalls eine Kombination aus eigenen Mitarbeitern für die einfacheren Arbeiten und dem Reetdachdecker Michael Engemann aus Massow für die fachlich anspruchsvollen Bereiche zusammenstellte.
Fertig eingedeckt und fachlich einwandfrei saniert ist der Schafstall sogar zum Blickfang im Ort geworden. Karl-Heinz Kolz: „Immer wieder kommen Touristen und machen ihre Fotos. Interessant ist auch, dass sich die ersten Künstler für
dieses Objekt als kreativen Arbeitsbereich interessieren. Es könnte also sein, dass sich die Nutzung des Schafstalls kurzfristig ändert.“
Das Reet-Schindel-Dach wird seinen Teil für den Erhalt des Stalls beitragen. Die Haltbarkeit eines klassisch eingedeckten Reetdaches von über Jahrzehnte ist mit dieser Lösung sicher nicht zu erwarten. Für große Wirtschaftsgebäude mit entsprechender Nutzung ist solch ein Reetdach aber eine wirtschaftliche Alternative, und von einer Lebensdauer von 1 ½ bis 2 Jahrzehnten kann ausgegangen werden.