Altes Schulgebäude begeistert mit neuem Reet
Ein kleines Klassenzimmer plus Nebenraum, daneben die Wohnräume des Lehrers. Das 1835 gebaute Schulhaus in der Nähe von Plön schreibt Geschichte und man kann bis heute nachvollziehen, welche Rolle das reetgedeckte Haus in der Gemeinde spielte. Seit 1970 wird das Gebäude privat genutzt. 2017 wurde das Gebäude erneut verkauft und die neuen Besitzer schmiedeten sofort Pläne für den Umbau. Seither entwickelt sich ihr altes Schmuckstück Schritt für Schritt weiter. In diesem Sommer wurde das Dach neu mit Reet eingedeckt und analog zu den notwendigen Veränderungen hat sich die Bauherrenfamilie einige Besonderheiten einfallen lassen.
Das alte Klassenzimmer wird zum Wohnzimmer und auch die alten Wohnräume der Lehrer verändern sich in zeitgemäße Bereiche, die das historische Bild des Hauses widerspiegeln. Die Dielenböden wichen exklusiv anmutenden Travertinböden (siehe Infokasten). Die neuen Türen fügen sich farblich und mit ihrem Design in das historisch anmutende Ambiente ein, ebenso die Fenster, die im Herbst eingebaut und mit Sprossen gestaltet sind, ebenfalls im Stil des alten Hauses, aber mit modernen Materialien und besseren Dämmeigenschaften. Ein Highlight wird der kleine Personenlift im Haus, der eingebaut wird, weil die geplante Haupttreppe im alten Bau zu steil geworden wäre. In diesem Jahr lag der Fokus auf dem Dachstuhl und der Neueindeckung, wobei die Bauherren den Empfehlungen des Reetdachkontor Ostholstein als Projektplaner und renommierte Reetdeckerei aus der Region folgten und das Dachkonzept teilweise geändert wurde.
Ausgleich der Unterkonstruktion
Die Neueindeckung des Dachs mit Reet, die nach allen Regeln des traditionellen Handwerks ausgeführt wurde, dauerte vier Wochen inklusive des Aufbaus der Unterkonstruktion. Bemerkenswert ist dabei, dass die unterschiedlichen Höhen der Sparren in der Unterkonstruktion ausgeglichen und passend zum Dachverlauf aufgefüttert wurden. Langfristig gesehen war dieses die sinnvollere Lösung, weil das einfache Ausgleichen der Unebenheiten mit Reet unterschiedliche Deckstärken und somit unterschiedliche Halmneigungen im Verlauf entstehen lässt, die den Wasserablauf und die Tiefe der Wassereindringung ins Reet beeinflussen. Das Ziel ist demnach, eine plane Lattung hinzubekommen und keine Unebenheiten zu provozieren.
Schachtdraht hält alles an Ort und Stelle
Früher wurde das Reetdach mehr mit Gefühl und gemäß Erfahrung aufgebaut. Heute haben sich die Ansprüche geändert. Unter anderem wird beim Dacheindecken stärker auf den späteren Dachausbau geachtet. Deshalb müssen alle Arbeiten zur Dacheindeckung sowie die Ausführung oberhalb der Sparren verlaufen, damit man von unten den ordentlichen Sparren sieht. Die Details bei der Ausführung sind wichtig, ebenso wie die Ausfertigung des Dachs mit einem Reetkappfirst, bei dem das Reet mit langen Halmen verdrahtet wird. Etwas Besonderes ist zudem die Reetfirstlüftung mit einem Röhrenlüftersystem, das ebenfalls installiert wurde.
Für das Eindecken wurde jedes Bund per Hand auf das Dach geworfen, auseinandergebreitet und Schicht für Schicht bis hoch zum First des alten Fachhallenhauses verlegt. Die Reetbunde werden dabei mit 4,5 mm starken Stangendrähten („Schachtdraht“), die parallel zur Dachlatte verlaufen, an den Dachstuhl herangezogen. Der Stangendraht liegt mit etwa 15 bis 17 cm in der Mitte der Eindeckstärke von 30 cm – 35 cm. Im nächsten Arbeitsschritt wird der 1 mm starke Bindedraht mit einem speziellen Nähbesteck um die Dachlatte herumgeführt und über dem Stangendraht verdrillt. Jedes Bund wird in der Länge drei- bis viermal mit dem Draht fixiert und zwischendurch stets mit dem Klopfbrett in Form gebracht.
Feuchtigkeitsgrad des Reets muss stimmen
Das hochwertige, auf Einhaltung des Produktdatenblattes untersuchte Reet auf dem Dach des alten Schulhauses wurde, wie bei fast allen Reetdachprojekten in Norddeutschland, bereits vorab beim Lieferanten und später auf der Baustelle zusätzlich auf den Grad seiner Feuchtigkeit hin überprüft. Der qualitätsorientierte Umgang mit dem Naturmaterial Reet beginnt jedoch bereits bei der Ernte, die ebenfalls noch viele traditionelle Handgriffe und Praktiken beinhaltet. Erntezeit ist im Winter, das Reet wird aber erst auf das Dach verbracht, wenn es ausreichend getrocknet ist und der Feuchtigkeitsgrad unter 18 Prozent liegt. Nach dem Verlegen bieten mit Reet gedeckte Häuser ihren Bewohnern langfristig Schutz, wobei die Lebensdauer des Reets, abhängig von der Ausrichtung des Dachs (Wetterseite), der Materialqualität und der Nutzung des Hauses abhängt. Gut belüftete Dächer mit regelmäßiger Sonneneinstrahlung sowie relativ steile Dächer können eine Lebenserwartung von 50 Jahren und mehr erreichen, soweit sie einer regelmäßigen Pflege unterzogen werden.
Historische Dachfenster aus Stahl
So wurde der baufällige Erker auf der Westseite des Hauses abgebaut und entfernt. Auch die Argumente der erfahrenen Reetdecker, dass jedes Hindernis und jeder Anbau auf dem Dach den Wasserlauf stört und diese markanten Dachregionen im Laufe der Jahre anfällig werden bzw. Schaden nehmen können, wurde erhört: Die Bauherrenfamilie entschied sich infolgedessen gegen neue Erker und ließ historische Dachfenster einbauen, die exakt das Aussehen haben, wie die früher verwendeten Fensterelemente aber den Komfort moderner Fenster mit verbesserter Isolierung ohne Kondenswasserprobleme, moderner Doppelverglasung mit Argongasfüllung und einer thermischen Trennung des Rahmens mitbringen. Insgesamt wurden fünf historische Dachfenster eingebaut, wobei das Einpassen und der Einbau der Elemente auf die Sparren und Balken keine Probleme darstellte.
Der einfache Einbau, die lange Lebensdauer, vor allem aber die Lichtmenge, die diese ästhetischen Fenster in den Dachraum transportieren, sind weitere Vorteile dieser Fenster. Interessant ist außerdem, dass sich die Familie gegen einen mit Heide gedeckten First entschied, und den First stattdessen, wie in dieser Region üblich, mit Reet eindecken ließ. Die bewusst gewählte Ausstattung der Giebeldreiecke mit Eulenmotiven verleiht dem Haus einen komplett eigenen Charakter gegenüber den anderen reetgedeckten Häusern in der Region, die sonst fast ausschließlich mit Pferdekopfdarstellungen gestaltet und ausgestattet werden.
Moderne Fenster nach historischem Vorbild
„Die Stahlfenster im Dach des alten Schulgebäudes wurden in Belgien in einer Metallschmiede gefertigt. Als sich die Anfragen für historisch anmutende Dachfenster häuften, entwickelte der Betrieb eine Reihe von Fenstern, die wie früher aussehen, aber moderne Standards erfüllen. Guter Wärmeschutz durch Isolierverglasung und keine Kondenswasserprobleme. Die Dachfenster basieren auf alten Vorlagen, die traditionell in ganz Nordeuropa verbreitet waren. Für die Größen orientierte sich das Unternehmen an die alten Dachziegel und ihre Maße. Am häufigsten sind früher die sogenannten S-Pfannen vorgekommen. Die damaligen Fenster waren auf die Breite von vier Pfannen ausgelegt, manchmal auch auf sechs. Außerdem bietet die Schmiede noch ein kleineres sowie zwei größere Dachfenster an, die zusätzliches Licht in den Dachraum bringen. Die insgesamt zehn Modelle im Sortiment haben eine feste Unterplatte aus Metall, Scharniere aus Edelstahl und einen isolierten Rahmen. Rahmen und Sprossen sind aus Stahl mit schwarzer Pulverbeschichtung. Die Fenster lassen sich manuell mit einem sogenannten Feststeller in vier verschiedene Positionen öffnen. Es gibt viele alte Bauernhöfe in Deutschland, die über große Dachboden verfügen, der aber nicht genutzt werden. Seit 2016 beliefert die Schmiede auch den deutschen Markt. Die Stahlfenster werden in Deutschland über die Hiss Reet Schilfrohrhandel GmbH in Bad Oldesloe vertrieben.
Travertinböden
Travertin, auch Antik-Marmor genannt, ist ein Stein, der Wärme hervorragend speichert, weil er vielen offenen Hohlräume in sich birgt. Da Travertin relativ leicht ist (Dichte: 2,0 – 2,5 g/cm³) eignet er sich hervorragend als Baustoff.